23. Oktober 2024

Der Tod des Followers

Autor: Magnus Folten

Stell dir vor, dein Unternehmen hat Millionen von Followern aufgebaut – und geht trotzdem pleite. Tatsächlich ist genau das allein im letzten Jahr in Deutschland mehrfach passiert: Marken wie Oceans Apart, Paul Valentine und Gymtastic rutschten in die Insolvenz. Selbst ikonische Marken wie Nike bemerken aktuell, dass auch 300 Mio Follower nicht bedeuten, dass der Umsatz konstant weiter wächst, denn Nike befindet sich in der größten Krise seit seiner Gründung. Meine These: Follower sind als Währung überholt! Doch wie kam es dazu? Um die Frage zu beantworten, werfen wir erstmal einen kurzen Blick zurück. Wie ist der Follower eigentlich entstanden? 

Einige von euch werden sich sicher noch an die Anfangszeit von Facebook erinnern. Dort wurde der Feed erfunden – und der folgte zunächst einem chronologischen Aufbau. Du willst jemandem folgen? Dann klickst du auf den Button und siehst alle Inhalte. Doch irgendwann kamen die Algorithmen ins Spiel. Und damit veränderte sich Content Creation radikal. 2010 führte Facebook das Ranking seiner Inhalte ein. Der Feed zeigte Postings nun nicht mehr chronologisch an, sondern nach Relevanz. 2011 optimierte YouTube sein Watch Time-Konzept. 2016 stellten Twitter und Instagram vom chronologischen auf den Ranked Feed um. Auf Follower umgemünzt heißt das nicht anderes, als dass sie an Wert verloren. Und dann betrat eine neue Plattform die Bühne, und diese sollte die Art und Weise, wie Content ausgespielt wird, für immer verändern sollte. Die Rede ist natürlich von TikTok.  

Die Geburtsstunde des Content Feeds

Du denkst, deine Follower sehen deinen Content? Falsch! Auf TikTok entschieden von Anfang an die plattformeigenen Algorithmen darüber, wer was sieht, und das müssen keinesfalls deine Follower sein. TikTok dachte nochmal radikaler als alle anderen Plattformen zuvor und war revolutionär - doch nicht weil es auf Kurzvideo fokussiert war, sondern weil es Inhalte ausspielte von Usern, denen man NICHT folgt. Das bedeutet: immerzu neue Inhalte, immerzu neue Gesichter. Das war das Geheimnis hinter der Viralität. Gleichzeitig stirbt das Konzept der Follower seitdem einen langsamen Tod. Diese sehen die Inhalte der Accounts, der sie folgen, immer seltener - und werden damit immer unbedeutender. Was du gerade anschaust, ist für den Algorithmus wichtiger als die Frage, wem du folgst. Menschen folgen Marken nicht einfach so. Für Marken heißt das: Du kannst zwar viele Follower aufbauen, aber trotzdem kaum Views erzielen. Nur weil du Follower hast, heißt das noch lange nicht, dass du sie erreichst.

TikToks neues Konzept der von Algorithmen erstellten Feeds war so erfolgreich, dass andere Plattformen massiv an Traffic verloren haben. Mittels eigener Studien fanden wir heraus, dass TikTok den Löwenanteil der Bildschirmzeit junger Menschen schluckt (Smartphone Grafik der 9:16 Studie). Und so mussten sie reagieren und übernahmen das Konzept. Dies läutete auch das Ende der Creator-lead Community ein. Ein Beispiel ist Younes Zarou. Deutschlands größter TikToker ging in den Anfangsjahren durch die Decke, heute zählt er 55 Mio. Follower. Doch seinen Content sehen im Schnitt drei bis vier Mio., also ca. 7-8% seiner Follower. Bei Unternehmensaccounts ist das noch krasser: Von den 15 Mio. Red Bull-Followern schauen oftmals nur wenige Hunderttausend (oder 2%!) einzelne Videos. Und es geht noch schlimmer: Zalando, Boss, Snipes - es gibt einige prominente Fälle von Brands, die früh den richtigen Riecher bewiesen und auf TikTok setzten. Doch heute helfen ihnen die Millionen Follower auch nicht mehr, wenn der Content im vierstelligen Bereich herumkrebst.

Es wird immer schwieriger, seine Community zu erreichen

Für Creator bedeutet das: Es braucht neue Plattformen, um die Hardcore Fans anzusprechen. Discord, Slack, Whatsapp beispielsweise. Für Marken bedeutet das: Ohne klares Ziel, was die Follower dem Unternehmen konkret bringen sollen, sind sie am Ende des Tages verschwendetes Geld. Fokussiert euch auf Relevanz, nicht Follower. Für welche Ziele kann der KPI  heute noch herangezogen werden? Wir schauen uns einige Ziele an:

Bekanntheit (Awareness)
Für junge Brands kann es sinnvoll sein, Follower aufzubauen, um ihre Bekanntheit zu steigern. Kommst du von 0 auf 2000 Follower, weißt du, dass dich schon mal ein paar Leute kennen. Aber das ist nicht präzise. Ein Beispiel: Der Lieferdienst Gorillas hat nur 54k Follower auf Instagram. Das ist nicht viel. Trotzdem war das Unternehmen beim Launch sehr bekannt. Wegen guter Plakatwerbung. Ergo: Nur weil du wenig Follower hast, heißt es nicht, dass dich keiner kennt. Insbesondere bei alten, etablierten Marken fällt das auf. Zum Beispiel für Pril, sind Follower ein schlechter Indikator für Bekanntheit. Ich kenne die Marke, folge ihr nicht. Wenn ich ihr jetzt folge, ist sie dadurch noch nicht bekannter. Bei unserem Kunden Bautz'ner Senf konnten wir die Markenbekanntheit über TikTok steigern, ohne Follower zu pushen. Statt auf Follower für den Brand-Kanal zu setzen, haben wir mit Creators gearbeitet, die bereits eine große Reichweite auf TikTok und Instagram haben. Fun Fact: Danach wurde Bautz'ner Marktführer im Senf-Segment in Deutschland.

Halten wir also fest: Für Markenbekanntheit sind Follower eine schlechte Messgröße.

Das zweite Ziel; Vertrauen & Prestige
Es wirkt seriös, wenn Unternehmen eine gewisse Anzahl an Followern haben. Warum? Weil jeder sieht, dass auch viele andere Menschen dieser Marke vertrauen – auch bekannt unter dem Begriff "Social Proof". Außerdem ist es doch beeindruckend, wenn jemand viele Follower hat. Und bei Unternehmen wie z.B. Kaufland macht das total Sinn. Der Supermarkt hat ein riesiges Angebot und eine breite Zielgruppe. Außerdem ist Kaufland der Challenger unter den Lebensmittelhändlern und will zeigen: Wir sind groß. Wir sind heftig. Der größte Supermarkt auf TikTok zu sein lohnt sich dafür. Aber braucht jede Marke diesen Prestige? Wohl kaum. Denn das ist teuer und aufwändig.

Das dritte Ziel: Daten nutzen
Follower können für Paid-Ads genutzt werden – besonders im D2C-E-Commerce oder für HR-Zwecke ist das sinnvoll. Auf den meisten sozialen Medien kann ich dafür zahlen, meine Follower präzise mit Werbeanzeigen zu erreichen. Aber es gibt auch andere, oft günstigere Wege, die richtigen Menschen mit Social Ads zu erreichen. Es gibt am Ende viele Ziele und noch mehr Wege, diese zu erreichen. Deswegen ist mein Rat: Schaut euch die übergeordneten Business-Ziele an und wägt Kanäle und Metriken gut ab. Ein starker Brand-Kanal auf Social Media ist oft nicht der effektivste Weg und deine Followerzahl ist als Messgröße selten präzise. 

Fazit: Die Anzahl an Followern ist nicht mehr der Indikator, der er mal war. Mittlerweile ist er eher Gütesiegel denn schlagendes Argument. Viele Follower können Vertrauen bewirken, PR generieren – und auch Türen öffnen. Ihr Wert wird aber mit jedem Jahr abnehmen und umso geringer sein, je mehr dein Gegenüber versteht, welche Metriken wirklich zählen.

 

 

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