12. September 2024

Der Absturz von Nike

Autor: Adil Sbai

Nike: Der Absturz der größten Sportmarke der Welt – Ein Lehrstück im Spannungsfeld von Performance und Markenaufbau

Nike ist unbestritten eine der größten und ikonischsten Sportmarken der Welt. Mit einem Umsatz von 50 Milliarden Euro und 38 % Marktanteil dominiert der Gigant seit Jahrzehnten den Sportartikelmarkt. Doch in den letzten Monaten kam es zu einem dramatischen Absturz: Nike verlor an einem einzigen Tag, dem 28. Juni 2024, 25 Milliarden Dollar an Börsenwert, und insgesamt beläuft sich der Verlust der letzten neun Monate auf 70 Milliarden Dollar. Zeitgleich gewann der Hauptkonkurrent Adidas an Börsenwert hinzu, obwohl auch dieser einige schmerzhafte Fehler gemacht hatte. Was ist bei Nike passiert – und was bedeutet dies für das gesamte Marketing in der Sportartikelbranche?

Vom Pionier zur globalen Macht – Die Geschichte Nikes

Nike begann in den 1960er Jahren als kleines Unternehmen, das japanische Sportschuhe importierte, und entwickelte sich schnell zu einem globalen Giganten. Berühmt wurde die Marke durch bahnbrechende Kampagnen wie "Just Do It" und durch die Zusammenarbeit mit Sportikonen wie Michael Jordan. Der Schlüssel zum Erfolg von Nike lag jedoch nicht nur in den Produkten, sondern in der emotionalen Verbindung, die die Marke zu ihren Kunden aufbaute. Nike war mehr als nur eine Marke – es war ein Lebensgefühl, das sich durch eine perfekte Mischung aus Storytelling, Innovation und Athleten-Partnerschaften manifestierte.

Der Kurswechsel – Fokus auf DTC und Performance Marketing

Mit der Ernennung von John Donahoe zum CEO 2020 änderte Nike seine Strategie radikal. Donahoe, mit einem starken Hintergrund in der Tech-Branche, richtete die Marke stärker auf Direct-to-Consumer (DTC) und Performance Marketing aus. Ziel war es, den direkten Verkauf über eigene Kanäle und digitale Plattformen zu maximieren und so die Margen zu steigern. Während der Pandemie war diese Strategie erfolgreich, da die Online-Nachfrage explodierte. Doch der langfristige Verzicht auf eine ausgewogene Marketingstrategie führte zu Problemen, die nun deutlich zutage treten.

Statt emotionalem Storytelling und dem Aufbau der Marke setzte Nike zunehmend auf datengetriebenes Performance Marketing. Dies führte zu einer Überfokussierung auf kurzfristige Verkaufserfolge, während die langfristige Markenbindung ins Hintertreffen geriet. Gleichzeitig reduzierte Nike seine Präsenz im Einzelhandel, um den Online-Verkauf zu priorisieren – eine Strategie, die sich nach der Pandemie als problematisch erwies, da viele Kunden zum stationären Handel zurückkehrten.

Adidas – Ein ähnlicher Fehler

Auch Adidas beging ähnliche Fehler, bevor das Unternehmen seine Strategie anpasste. Wie Simon Peel, der Global Media Director von Adidas, 2019 erklärte, hatte Adidas zu stark auf digitale Werbung und Performance Marketing gesetzt. Adidas dachte, dass vor allem digitale Kanäle den E-Commerce fördern würden, und überinvestierte in Performance-Marketing und ROI-orientierte Maßnahmen. Die Strategie basierte auf der Annahme, dass loyale Kunden durch CRM-Kampagnen und Paid Search angesprochen werden würden. Tatsächlich kam jedoch rund 60 % des Umsatzes von Neukunden, und die Marke stellte fest, dass nicht Performance-Marketing, sondern Brand-Building 65 % des Umsatzes in allen Verkaufskanälen beeinflusste – ein Aspekt, den sie lange vernachlässigt hatte.

Ähnlich wie Nike, setzte Adidas zu stark auf kurzfristige Effizienz, anstatt langfristige Effektivität im Marketing zu priorisieren. Ein übermäßiger Fokus auf digitale Performance-Werbung führte dazu, dass das Branding vernachlässigt wurde. Adidas erkannte seinen Fehler und führte nach und nach ein neues, auf langfristigen Markenaufbau ausgerichtetes Marketing-Framework ein, das auf die Empfehlungen von Les Binet und Peter Field aufbaut – eine 60:40-Aufteilung zugunsten von Branding statt Performance.

Der „Hype-Overkill“ – Wie Nike seine Sneaker-Kultur verwässerte

Nike hatte über Jahre hinweg erfolgreich eine Sneaker-Kultur geschaffen, die auf Exklusivität und Limitierungen basierte. Modelle wie der Air Jordan oder der Dunk wurden zu begehrten Sammlerstücken. Doch in dem Versuch, den Hype weiter zu monetarisieren, überflutete Nike den Markt mit zu vielen Versionen dieser einst limitierten Modelle. Das führte nicht nur dazu, dass die Exklusivität verloren ging, sondern auch, dass die Nachfrage stark nachließ. Viele Modelle blieben in den Regalen liegen, und Nike musste auf Rabatte zurückgreifen, was nicht nur den Umsatz drückte, sondern auch das Image der Marke verwässerte.

Fehlende Innovation und steigende Konkurrenz

Während Nike sich auf den Ausbau seiner DTC-Kanäle konzentrierte, stagnierte die Produktinnovation. Während Konkurrenten wie On und Hoka mit neuen Technologien und Materialien punkten, setzte Nike oft auf Retro-Designs und überarbeitete Modelle vergangener Erfolge. Gleichzeitig stiegen die Berichte über Qualitätsprobleme, insbesondere bei beliebten Sneakern. Kunden, die einst auf Nikes Innovationskraft vertrauten, wandten sich zunehmend anderen Marken zu, die ihre Bedürfnisse besser erfüllten.

Die Konkurrenz schläft nicht

Während Nike mit internen Problemen kämpfte, eroberten kleinere Marken wie On und Hoka immer größere Marktanteile. Diese Marken setzen nicht nur auf innovative Produkte, sondern auch auf ein authentisches Community-Building, das den modernen Verbraucher anspricht. Besonders On, das von Tennisstar Roger Federer unterstützt wird, hat sich als starke Konkurrenz etabliert. Diese Marken kombinieren technologische Innovation mit starkem Branding und zeigen, dass Agilität und ein ausgewogener Marketing-Mix der Schlüssel zum Erfolg sein können.

Fazit: Der Balanceakt zwischen Performance und Branding

Nikes aktueller Absturz ist eine eindrückliche Lektion für Marken in der modernen Marketingwelt. Die übermäßige Fokussierung auf Performance Marketing und DTC hat kurzfristige Gewinne gebracht, aber langfristig das Fundament der Marke geschwächt. Branding, Storytelling und eine emotionale Bindung zu den Konsumenten sind entscheidend, um nicht nur Verkäufe, sondern auch Markenloyalität zu fördern.

Adidas erkannte diesen Fehler und begann, seine Marketingstrategie anzupassen, indem es verstärkt auf Markenaufbau und emotionale Kampagnen setzte. Nike könnte diesem Beispiel folgen, um wieder an seine ehemaligen Erfolge anzuknüpfen und seine Rolle als Marktführer im Sportartikelbereich zu sichern.

Der Schlüssel für Sportbrands – wie vermutlich alle Marken – liegt darin, eine Balance zwischen kurzfristigen Verkaufserfolgen und langfristiger Markenbindung zu finden – denn am Ende entscheidet nicht nur der nächste Klick, sondern die Geschichte, die eine Marke über Jahre hinweg erzählt.

Die Analyse zum Thema findest du ebenfalls auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=l27LrTXSxV0

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