25. September 2023

Brauchen Brands einen TikTok-Kanal?

Für viele Brands ist TikTok aus der Marketing-Strategie nicht mehr wegzudenken, hob diese teilweise gar auf ein neues Level. Doch bedeutet das automatisch, dass ein TikTok-Kanal von nun an Pflicht ist?

Die Kurzantwort wird viele überraschen: Kanal ja, Bespielung nein. Denn tatsächlich würde ich folgende Wette aufstellen: Eine Marke kann auch ohne Kanalbespielung sehr bekannt und beliebt werden, indem sie auf den Kanälen der Creators stattfindet oder gutes Community Management macht.

Unser Kunde Bautz’ner (Develey Senf & Feinkost) beispielsweise hat in den Jahren 2021, 2022 und 2023 zusammen gerade einmal 8 Videos auf dem eigenen Kanal hochgeladen – und erfreut sich dennoch größter Beliebtheit und Bekanntheit. Wie funktioniert das? Die Marke findet auf den Kanälen vieler der erfolgreichsten Creator im DACH-Raum statt, hatte eine erfolgreiche OOH-Kampagne, integrierte die Creator-Gesichter auf 8 Millionen Bechern und koppelte ein Gewinnspiel an diese Mechanik, an dem schlussendlich 60.000 Menschen teilnahmen – um Bautz’ner Merch zu gewinnen.

Die Wahrheit ist: Junge Leute öffnen TikTok nicht, um kommerziellen Content zu schauen – egal, wieviel Mühe du dir geben magst. Es muss also schon einen guten Grund geben, einem kommerziellen Kanal zu folgen. So hart es für viele LeserInnen sein mag: Die meisten interessieren sich nicht für deine Brand und deine Produkte. Der “Reason to follow” muss also so gutes Storytelling beinhalten, das ZuseherInnen wirklichen Mehrwert bietet durch Inspiration, Unterhaltung oder Infotainment. Die Inhalte müssen so gut und mutig sein, dass sich User denken: “Krass, die haben die Plattform verstanden” oder “Wtf, die trauen sich etwas”. Beispiele dafür sind die Duolingo-Eule, die in Lack und Leder ins Berghain will oder die Deutsche Bahn, die andere Marken basht oder sich über die eigene Unpünktlichkeit lustig macht. Alles andere kann genauso gut oder besser auch auf Creator-Kanälen stattfinden oder in einer Dark-Ad, die auf einer Website mündet.

Ein Beispiel hierfür ist Musik: Für einen neuen Song wird ja auch kein Kanal eröffnet. Die Musik findet statt auf dem Kanal des Musikers und – das ist die Bedingung, damit sie trendet und viral geht – auf vielen Kanälen von Creators, die den Sound verwenden. Die erfolgreichsten Songs im DACH-Raum landen auf zigtausenden Kanälen von Creators.

Pros:

  1. Zugang zur jüngeren Zielgruppe: Die auch als “Unreachables” bezeichnete junge Generation ist gar nicht so unerreichbar, wie viele denken. Nur funktioniert das zunehmend schlechter über TV oder Print und beinahe ausschließlich über OOH oder das Smartphone. Wenn deine Zielgruppe in diese Altersgruppe fällt, ist TikTok die vermutliche (auch kosten-) effektivste Plattform, um sie zu erreichen.
  2. Zugang zu weiteren Plattformen: Wer TikTok erfolgreich bespielt, hat auch direkt ein Contentformat, das auf YouTube Shorts (immer) und Instagram Reels (manchmal) funktioniert. 
  3. Kreativer Raum: Wer TikTok versteht, versteht auch den Zeitgeist, die Tools und die Umgebung junger Menschen. TikTok selbst bietet eine Vielzahl von kreativen Tools und Funktionen, die es Marken ermöglichen, originelle und unterhaltsame Inhalte zu erstellen. Dies kann die Markenbekanntheit steigern und die Bindung zur Zielgruppe fördern.
  4. Viralität: TikTok-Inhalte können sich schnell verbreiten und viral werden. Wenn Ihre Inhalte ansprechend sind, können sie Tausende oder sogar Millionen von Aufrufen und Shares generieren, was Ihre Reichweite erheblich erhöhen kann. Doch Vorsicht: Die wenigsten Unternehmen haben inhouse das Wissen und die Erfahrung dafür. Mit dem simplen Nachmachen von Challenges und Trends gewinnt kein Unternehmen 2023 noch einen Blumentopf.
  5. Authentizität: TikTok ist eine Plattform, auf der Authentizität geschätzt wird. Marken können sich hier in einem weniger formellen Tonfall präsentieren und eine menschlichere Seite zeigen. Die Kanäle, die auch ohne den Einsatz teurer MarkenbotschafterInnen am sympathischsten wirken, sind oftmals selbstironisch und humoristisch unterwegs, siehe Pro7, Duolingo oder Deutsche Bahn. 

Cons:

  1. Großer Zeit- und Ressourcenaufwand: Die Erstellung von TikTok-Inhalten erfordert Zeit und Mühe. Wie oben angedeutet muss man 2023 schon sehr innovativ und mutig unterwegs sein, um noch virale Hits zu landen. Die Zeiten guter organischer Reichweite für fast alle sind lange vorbei. Marken müssen qualitativ hochwertige und regelmäßige Inhalte produzieren, um erfolgreich zu sein. Dies wird zusätzliche Ressourcen erfordern, die nicht jedes Unternehmen investieren will.
  2. Unsichere Zielgruppenreife: TikTok-NutzerInnen sind in der Regel jünger, und nicht jede Marke spricht diese Zielgruppe an. Wenn Ihre Zielgruppe eher älter ist, kann es effektiver sein, andere soziale Plattformen zu nutzen.
  3. Wettbewerb und Sättigung: Da TikTok immer beliebter wird, steigt auch der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der NutzerInnen. Es kann schwierig sein, sich von der Masse abzuheben.
  4. Inhaltsqualität: TikTok-NutzerInnen erwarten unterhaltsame und kreative Inhalte. Wenn Ihre Marke nicht in der Lage ist, ansprechende Inhalte zu erstellen, könnte dies negativ wahrgenommen werden.

Insgesamt kann ein TikTok-Kanal für Marken von Vorteil sein, insbesondere wenn die Zielgruppe zu dieser Plattform passt und die Marke in der Lage ist, hochwertige und ansprechende Inhalte zu produzieren. 

Wer ihn jedoch regelmäßig bespielen will, sollte Ressourcen und die Strategie sorgfältig  planen, um auch nachhaltig replizierbare Erfolge zu erzielen. Wer diese nicht hat, kann auch durchaus sehr gut über Creator-Channels oder in einer Kampagnenmechanik denken.

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