Welche maßgeblichen Unterschiede bestehen zwischen Branding und Marketing, und was trägt stärker zur langfristigen Markenbindung bei? Wie sehr beeinflusst TikTok diese Dynamik? Adil Sbai, CEO des Artist Managements WeCreate und der Kreativagentur 9:16, teilt spannende Erkenntnisse und wertvolle Ratschläge für Brands.
In der heutigen digitalen Ära ist der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der VerbraucherInnen intensiver denn je. Unternehmen suchen ständig nach effektiven Strategien, um ihre Markenbotschaften zu verbreiten und KundInnen langfristig zu binden. Dabei stehen zwei wichtige Konzepte im Fokus: Branding und Marketing. Während sie eng miteinander verbunden sind, gibt es doch subtile Unterschiede, die den Erfolg einer Marke beeinflussen können.
Branding konzentriert sich auf den Aufbau einer starken Identität und Persönlichkeit für eine Marke. Es geht darum, Emotionen und Werte zu vermitteln, die eine langfristige Verbindung zu den VerbraucherInnen herstellen. Im Gegensatz dazu zielt Marketing eher darauf ab, Produkte oder Dienstleistungen zu bewerben und direkte Verkäufe zu generieren. Beide Aspekte sind von entscheidender Bedeutung, um eine Marke erfolgreich aufzubauen und zu etablieren. In der heutigen, von sozialen Medien geprägten Welt spielen Plattformen wie TikTok eine entscheidende Rolle bei der Vereinigung von Branding und Marketing. TikTok hat sich als ein mächtiger Kanal erwiesen, der günstige TKPs (Tausend-Kontakt-Preise) und starke organische Reichweiten bietet. Insbesondere das Format des vertikalen 9:16-Videos zeigt sich als äußerst kosteneffektiv und ermöglicht es Marken, ihre Botschaften auf eine einnehmende Art und Weise zu präsentieren.
Die Auswirkungen von TikTok sind nicht zu unterschätzen. Die Plattform hat nicht nur eine beeindruckende Nutzerbasis aufgebaut, sondern auch andere Social-Media-Riesen wie YouTube (mit "Shorts") und Instagram (mit "Reels") dazu inspiriert, auf den Zug der kurzen, vertikalen Videoinhalte aufzuspringen. Die Stärke von 9:16-Content liegt darin, dass er den gesamten Bildschirm ausfüllt und somit die volle Aufmerksamkeit der ZuschauerInnen auf sich zieht – ein wahrer Vorteil in einer Zeit, in der Ablenkungen allgegenwärtig sind.
Die Bedeutung von Onlinevideos und damit auch 9:16-Content für die Markenwelt wird auch durch neueste Erhebungen untermauert. Werbeguru Les Binet, der sich auf die Analyse der Effektivität von Werbung spezialisiert hat, hat diese Erkenntnisse in der jüngsten von Meta in Auftrag gegebenen Studie hervorgehoben. Die Untersuchung zeigt, dass digitale Werbekanäle wie Facebook, Instagram und Onlinevideos sowohl kurz- als auch langfristig einen signifikanten Einfluss auf den Umsatz von Marken haben. Besonders Onlinevideos haben sich mit einem um 52% höheren Gesamt-ROI als äußerst wirkungsvoll erwiesen.
Les Binet betont in seiner Forschung die langfristige strategische Ausrichtung von Werbung, die auf Markenbildung und emotionale Ansprache abzielt. Dabei hebt er auch die Bedeutung des "Share of Voice" hervor – also den Anteil der Werbeausgaben einer Marke im Vergleich zu ihren Wettbewerbern. Diese Herangehensweise zielt darauf ab, den langfristigen Erfolg einer Marke sicherzustellen, und hat in der Marketing- und Werbebranche Anerkennung gefunden.
Les Binet: The short- and long-term impact of advertising 2022
In einer Zeit, in der die Konkurrenz um die Aufmerksamkeit der VerbraucherInnen härter ist als je zuvor, eröffnen Plattformen wie TikTok neue Wege, um Branding und Marketing effektiv zu verbinden. Die Kombination aus kosteneffektiven TKPs und starken organischen Reichweiten macht TikTok zu einem unschätzbar wertvollen Kanal für Unternehmen. Die Macht von 9:16-Content ist nicht zu übersehen, und Marken, die diese Formate meistern, haben die Möglichkeit, sich nachhaltig im Gedächtnis der VerbraucherInnen zu verankern.
Die Bedeutung des Brandings: Zeit, Vertrauen und die Herausforderung der Attribution
In der aufstrebenden Ära der digitalen Werbung ist es verlockend, sich auf kurzfristige Erfolge zu konzentrieren, die direkt in Verkäufe umgewandelt werden können. Doch die wahre Macht des Brandings liegt in seiner Fähigkeit, langfristige Wirkung zu erzielen, Markenbekanntheit und -sympathie zu steigern sowie eine Verbindung zu den VerbraucherInnen herzustellen, die über den Moment hinausgeht.
Branding ist der Prozess des Aufbaus und der Pflege einer starken Identität, die eine Marke von anderen unterscheidet. Es geht darum, Emotionen, Werte und Geschichten zu vermitteln, die eine tiefere Bindung zu den VerbraucherInnen schaffen. Dieser Prozess benötigt Zeit und Geduld. Es ist nicht etwas, das über Nacht geschieht, sondern ein kontinuierlicher Aufbau von Vertrauen und Erkennbarkeit. Branding ist wie eine Saat, die gepflanzt wird und mit sorgfältiger Pflege zu einer blühenden Pflanze heranwächst.
Eine der Herausforderungen beim Branding ist die Messung seines Einflusses auf Verkäufe. Markenbekanntheit, Markensympathie und die emotionale Verbindung zu einer Marke sind nicht immer direkt messbar oder in unmittelbaren Umsätzen sichtbar. Hier kommt die Frage der Attribution ins Spiel – die Zuordnung von Verkäufen zu den verschiedenen Berührungspunkten, die KundInnen auf ihrem Weg bis zum Kauf hatten.
Die Attribution kann komplex sein, da oft der letzte Kanal oder die letzte Interaktion vor einem Kauf als der entscheidende Faktor angesehen wird. Dies vernachlässigt jedoch die früheren Berührungspunkte, die das Bewusstsein geschaffen und den Grundstein für den Kauf gelegt haben. Die ersten Touchpoints, die vielleicht das Branding betreffen, sind oft schwer in ein direktes Verhältnis zu den Verkäufen zu setzen. Nicht alles, was zählt, ist messbar.
Diese Herausforderung hat zur Entwicklung von anspruchsvolleren Attributionsmodellen geführt, die die gesamte Kundenreise berücksichtigen und die verschiedenen Touchpoints angemessen bewerten. Solche Modelle erfordern jedoch technische Ressourcen und komplexe Analysen. Und selbst dann bleibt ein gewisser Grad an Unsicherheit bestehen. Dies führt zu einer wichtigen Erkenntnis: Vertrauen spielt eine entscheidende Rolle. Vertrauen darin, dass Branding einen echten Wert hat, auch wenn dieser Wert nicht immer direkt in messbaren Zahlen ausgedrückt werden kann. Genau deshalb empfiehlt Les Binet ein ausgewogenes Verhältnis von 60% Branding und 40% Performance Marketing. Diese Faustregel unterstreicht die Notwendigkeit, langfristige strategische Ziele nicht aus den Augen zu verlieren und nicht alles auf kurzfristige Ergebnisse auszurichten.
Spannender Dialog zwischen Peter Field und Les Binet zu “brand marketing in the age of hyper-targeted messaging”
Fazit
Die Realität ist, dass viele Marken immer noch zu sehr auf Performance Marketing setzen, um kurzfristige Umsätze zu generieren. Diese Taktik mag vorübergehend erfolgreich sein, aber auf lange Sicht kann sie zu Problemen führen. Ein Mangel an Branding kann bewirken, dass eine Marke im Gedächtnis der VerbraucherInnen verblasst, sobald die direkten Anreize verschwinden.
In einer Welt, in der das Tempo oft von Instant-Gratifikationen geprägt ist, sollten Marken den Wert des Brandings nicht unterschätzen. Es ist der Klebstoff, der eine lang anhaltende Bindung zwischen Marken und VerbraucherInnen schafft. Die Zeit, das Vertrauen und die investierte Energie in Branding zahlen sich langfristig aus und tragen dazu bei, dass eine Marke nicht nur Umsätze generiert, sondern auch eine starke und dauerhafte Präsenz in den Köpfen der Menschen hat.